Hast du keine Lust auf Sex?

Dann bist du ziemlich sicher schon mal mit der Frage konfrontiert gewesen, ob etwas an dir nicht stimmt. Und was du an dir ändern müsstest, um deine Libido zu steigern. Vielleicht hast du dir die Frage selbst gestellt. Vielleicht ist es dein Freund*innenkreis, der dich mit wohlmeinenden Tipps eindeckt. Womöglich hast du Ratgeber gewälzt und dir Insta Reels gespeichert.
Hier findest du neun gute Gründe, keine Lust auf Sex zu haben. Du erfährst, warum es völlig normal sein kann, keinen Sex zu wollen, und dass du so bleiben darfst, wie du bist.

Neun gute Gründe, keine Lust auf Sex zu haben

1. Asexualität

Asexualität ist eine sexuelle Orientierung genau wie andere sexuelle Orientierungen auch – etwa Heterosexualität oder Homosexualität. Es bedeutet, von sich aus kein Bedürfnis nach sexuellen Handlungen mit anderen oder mit sich selbst zu empfinden. Asexuelle Menschen sind nicht verklemmt oder gehemmt – wie leider oft noch unterstellt wird. Sie sind auch nicht krank und müssen nicht geheilt werden. Asexualität ist einfach eine von vielen Formen des menschlichen Daseins. Manche asexuellen Menschen haben gar keinen Sex – manche haben Sex nur unter bestimmten Bedingungen. Asexualität kommt in verschiedenen Ausprägungen vor – es gibt dafür keine festgeschriebenen Kriterien. Hier findest du einen Fragebogen, der dir helfen kann herauszufinden, ob du dich auf dem asexuellen Spektrum befindest. Ob du asexuell bist oder nicht, entscheidest am Ende allein du selber.

2. Demisexualität

Den Begriff demisexuell verwenden Menschen für sich, die zwar Lust auf Sex mit anderen empfinden, aber nur dann, wenn eine starke emotionale Verbindung mit dem Gegenüber besteht. Wenn du demisexuell bist, sind für dich wahrscheinlich Dinge wie emotionale Nähe, tiefgehende Gespräche, Empathie, Verlässlichkeit und eine stabile und langfristige Bindung die Basis, auf der deine sexuelle Lust gründet. Dein Begehren braucht also in gewissem Sinne mehr oder anderes Futter, um entfacht zu werden, als das Begehren anderer Menschen. Wenn die Bedingung tiefer emotionaler Nähe nicht erfüllt ist, hast du als demisexueller Mensch daher keine Lust auf Sex – und das ist völlig legitim.

3. Stress – ein guter Grund, keine Lust auf Sex zu haben

Im Leben gibt es immer wieder Zeiten, wo alles zu viel wird: Ein Umzug, finanzielle Schwierigkeiten, Konflikte im Job, Zukunftsängste… Wenn dir gerade alles um die Ohren fliegt, hast du wahrscheinlich keine Lust auf Sex. Und das ist gut so. Dein Körper und auch deine Psyche brauchen alle Reserven, um durch die anstrengende Zeit zu kommen. Dein Nervensystem ist im Überlebensmodus und kann nicht auf Knopfdruck umschalten zu Entspannung, Genuss und Leichtigkeit. Zwar kann es hilfreich sein, auch in stressigen Phasen immer mal wieder kleine Ruheinseln einzubauen, dir eine Massage zu gönnen oder eine Umarmung von einer dir nahestehenden Person abzuholen, gerade jetzt auch noch eine Wahnsinnslibido von dir zu erwarten, ist aber vielleicht ein bisschen viel verlangt.

4. Pleasure Ceiling

Mit Pleasure Ceiling ist das individuelle Limit der Fähigkeit zum Lustempfinden gemeint. Auch sie ist einer der Gründe, keine Lust auf Sex zu haben. Denn (sexuelle) Lust ist nicht nur belebend, sie fordert Körper und Psyche mitunter auch ganz schön stark. Bei manchen Formen sexueller Erregung steigen Puls und Blutdruck und auch die Körperspannung, das Bewusstsein verengt sich, Hormone werden ausgeschüttet und beim Orgasmus kontrahiert unwillkürlich der Beckenboden. Das kommt einer körperlichen Höchstleistung gleich. Kein Wunder, dass sich danach manchmal Erschöpfung breit macht. Auch emotional verlangt uns Sex einiges ab: Sich einem Gegenüber unkontrolliert zu zeigen, sich gehen zu lassen, sich verletzlich zu machen – das ist reizvoll, aber auch riskant. Wenn du ein sehr empfindsamer Mensch bist und eher schnell an deine körperlichen Grenzen gerätst, kosten sexuelle Handlungen dich vielleicht mehr Kraft, als sie dir geben. Die Pleasure Ceiling schützt dich davor, dich zu verausgaben, indem sie deine Lust auf und am Sex begrenzt. Auch das hat seine volle Berechtigung.

5. Krankheit – ein Grund, keine Lust auf Sex zu haben

Während einer schweren Erkrankung kann Sex weiterhin lustvoll sein und das Wohlbefinden fördern. Manchmal fordert die Krankheit aber so viel Raum, dass für sexuelle Lust einfach kein Platz ist. Nicht nur eine eigene Erkrankung kann die Libido einschränken – auch wenn dein*e Partner*in schwer erkrankt ist, kann dich das unter Umständen verunsichern und belasten und deine Freude am Sex mit ihr*ihm schmälern. Manchmal gibt es keinen Weg, den gemeinsamen Sex den Umständen anzupassen. Sich einzugestehen, dass Sex gerade Pause machen darf, kann hier entlastend sein.

6. Fremdheit dem eigenen Körper gegenüber

Vielleicht stehst du mit deinem Körper nicht auf bestem Fuß. Vielleicht wünschst du dir, dass er sich anders anfühlt, anders aussieht, sich anders bewegt. Dass er von anderen anders gesehen wird. Das mag deinen ganzen Körper betreffen oder bestimmte Teile davon. Zu einem gewissen Grad kennen wir das sicher alle – dass wir uns gern anders hätten, als wir sind. Und haben trotzdem lustvollen Sex. Wenn du deinem Körper gegenüber allerdings eine starke Fremdheit verspürst und dieses Gefühl sehr präsent ist, ist Sex für dich wahrscheinlich eine echte Herausforderung und alles andere als Genuss.

7. Andere Dinge sind wichtiger

Sex ist eine wunderbare Sache – aber nicht das Einzige im Leben, was zählt. Lebendigkeit, Genuss, Hingabe, Aufregung oder Entspannung sind alles tolle Erfahrungen, die Sex attraktiv machen. Vielleicht kannst du damit durchaus etwas anfangen – hast aber einfach gerade andere Prioritäten. Einen spannenden Beruf, der deine Kreativität und Aufmerksamkeit fordert. Ein ehrenamtliches Projekt, in das du viel Zeit und Liebe investierst. Kleine Kinder, für die du Tag und Nacht am Start bist. Wenn dein Fokus auf einen bestimmten Inhalt gerichtet ist, treten andere Dinge manchmal in den Hintergrund. Sex ist dann vielleicht einfach nicht das, was dich gerade interessiert und womit du deine Zeit verbingen möchtest. Und das ist okay so.

8. Eine Vorstellung von Sex, die nicht zu deinen Bedürfnissen passt

Ein Grund, keine Lust auf Sex zu haben, könnte sein, dass die Vorstellungen, die von Sex kursieren, nicht zu dem passen, was du dir eigentlich wünschst. Nach wie vor setzten wir Sex fast immer mit dem Dreiklang Erektion-Penetration-Orgasmus (des Menschen mit dem Penis) gleich. Dieser Dreiklang kann Spaß machen, ist aber bei weitem nicht das Einzige, was Sex ausmacht. Vielleicht törnt dich eine sinnliche Fußmassage mega an. Oder du gehst richtig ab beim Jammen mit deiner Band. Findest es geil, beim Backen deine Hände tief in den Teig zu wühlen. Lässt beim Tanzen alles los und bist nur noch Körper. Liegst gern mit deiner*m Liebsten Arm in Arm nackt am See und lässt die Sonne auf deine Haut scheinen.

Wer bestimmmt, was Sex ist und was nicht? Letzten Endes du gemeinsam mit den Personen, die außer dir an dem Erlebnis beteiligt sind. Wenn du Sex aber sehr eng definierst, bleibt dabei vielleicht nur das übrig, worauf du keine Lust hast.

9. Unlösbare Konflikte in der Beziehung

Ein weiterer der Gründe, keine Lust auf Sex zu haben, sind unlösbare Konflikte in der Paarbeziehung. Wenn es zwischen euch massiv knirscht, ihr euch ständig streitet, unterschiedliche Dinge wollt und keine Bereitschaft da ist, gemeinsam an den Dissonanzen zu arbeiten – dann wundert es nicht, dass die Libido sich verkriecht. So naheliegend dieser Zusammenhang ist, so leicht wird er ignoriert oder vergessen. Die ausgebufftesten Sexskills helfen der Lust nicht auf die Sprünge, wenn du dein Gegenüber einfach nicht mehr sehen, nicht riechen, nicht leiden kannst.

Die Befreiung vom libidinösen Imperativ

Natürlich gibt es viel mehr als neun gute Gründe, keine Lust auf Sex zu haben. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. So unterschiedlich die Gründe sein mögen, gilt in vielen Fällen eines: Es hilft anzuerkennen, dass es so ist, wie es ist. Das entlastet und klärt die Situation. Steh zu dir und zeig dich als Mensch mit Lust auf vieles – außer auf Sex. Finde heraus, was alles möglich wird, wenn du aufhörst, dich am libidinösen Imperativ abzuarbeiten. Gestalte dein Leben und deine Beziehungen auf der Basis der Selbstannahme. Das wird nicht immer einfach sein. Aber es wird dir gerechter als das Vortäuschen oder verzweifelte Erreichenwollen einer starken Libido.

Wie sich Konflikte und Fragen in Beziehungen klären lassen, in denen die Beteiligten unterschiedlich viel Lust auf Sex haben, erfährst du im nächsten Blogbeitrag, der bald erscheint.

Teaser: Wenn die Lust auf Sex kein Muss mehr ist, kommt sie manchmal von ganz allein

Je nach den Gründen, aus denen du keine Lust auf Sex hast, ensteht manchmal auf der Basis der Akzeptanz und des Loslassens ein neuer Raum – ein Raum, in dem die Lust auf Sex auf dich zukommt, anstatt, dass du ihr hinterherrennst. Wie du dein Rendevouz mit der Lust lustvoll gestaltest und zu einer stabilen Beziehung ausbaust, findest du heraus auf den restlichen Seiten dieser Homepage, vor allem hier. Und ja, auch Ratgeber helfen – und neugieriges Ausprobieren. Falls du dir Unterstützung dabei wünschst, begleite ich dich gern im Rahmen einer Sexualtherapie.